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Lektion 2: Sprecher:innenvergleich

Definition: Der Vergleich von zwei oder mehr Sprachaufnahmen, um festzustellen, ob eine bestimmte Rede von demselben Sprecher oder derselben Sprecherin stammt.

Schlüsselkonzepte

  • Phonetische Analyse

  • Sprecher:innenspezifische Merkmale

  • Analytischer Ansatz

Lektion 1: Einführung in den Vergleich von Sprecher:innen

Beim Sprecher:innenvergleich liegen Audioaufnahmen des Täters/der Täterin und der verdächtigen Personen vor. Forensische Sprachexpert:innen werten die beiden Aufnahmen sorgfältig aus, um die Frage zu beantworten, ob eine:r der Verdächtigen der Täter/die Täterin ist.

 

Da es beim Sprecher:innenvergleich um einen analytischen Ansatz geht – phonetische Analyse und sprecher:innenspezifische Merkmale – benötigen wir eine detailliertere Analyse als noch das Sprecher:innenprofil. Und diese lässt sich heutzutage insbesondere mit Software oder künstlicher Intelligenz erstellen. Wir werden daher die phonetische Software Praat nutzen, die in der Forschung sehr bekannt ist und uns helfen wird, spezifische Merkmale der beiden verdächtigen Stimmen forensisch zu analysieren, um so die Täter/die Täterin aufzuspüren...

 

Wir werden nun in diesen Lektionen ein Auge auf eines der phonetischen Merkmale richten – die Grundfrequenz. Bei erwachsenen Männern liegt die durchschnittliche Grundfrequenz normalerweise zwischen 85 und 180 Hertz (Hz). Bei erwachsenen Frauen hingegen liegt die durchschnittliche Grundfrequenz in der Regel mit 165 bis 255 Hz deutlich höher.  

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Um zu sehen, wie die Grundfrequenz gemessen wird, musst du dir Praat auf deinem Computer installieren. Du kannst es hier kostenlos herunterladen:

https://www.fon.hum.uva.nl/praat/

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Aktivität 1: Der Fall der gestohlenen Lindt-Rezepte

Wir kommen zurück zum Fall des Diebstahls von wertvollen Rezepten in der Lindt-Schokoladenfabrik. Wir haben bemerkt, dass der Mathe-Guru eine höchst gefährliche Person ist, und haben deshalb bereits ein Sprecherprofil von ihm erstellt. Aber die Sache ist die, dass wir neben dieser Person noch eine unbekannte Quelle haben, die uns mitgeteilt hat, dass sie des Öfteren eine Person gesehen hat, die spät nachts in der Lindt-Schokoladenfabrik “herumlungern” würde, als auch dieser Raub stattfand.

 

Warum ist diese Person so oft dort? Wir haben sie befragt, und da sie uns verdächtig vorkommt, haben wir sie dazu gebracht, dasselbe zu sagen wie in der Audioaufnahme zuvor, damit wir wissen, ob wir es mit dem echten Math Guru zu tun haben.

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Daher müssen wir die Stimme mit der Aufnahme des Räubers vergleichen. Du musst die beiden verschiedenen Audioaufnahmen auf deinem Desktop speichern und sie in Praat hochladen. Höre aufmerksam zu und bestimme die durchschnittliche Grundfrequenz der beiden Aufnahmen. Ist es die gleiche Person?

Ist es dieselbe Person? Nein!

Original
00:00 / 00:13
Weitere Aufnahme
00:00 / 00:16

Lektion 2: Analyse von phonetischen Merkmalen

Wie wir in Teil 1 dieser Lektion gesehen haben, kann es äusserst schwierig sein, Sprecher:innen nach Gehör zu unterscheiden und zu bestimmen, welche Stimme zu welcher Ortschaft passt. Deshalb werden wir weiter mit Praat arbeiten. Nachdem wir nun einen ersten Blick in Übung 1 auf Praat geworfen haben und wissen, wie wir dieses Programm verwenden können, werden wir uns nun noch eingehender mit der Analyse der phonetischen Merkmale von Sprecher:innen beschäftigen.

 

Einzelne Merkmale, die wir mit Praat messen können, sind: Lautstärke, Formanten und die Aussprache von Vokalen und Konsonanten (die in einem Spektrogramm angezeigt werden). Diese Merkmale können Informationen über die Identität oder den emotionalen Zustand der Sprecher:innen vermitteln.

Im Folgenden wird erläutert, wie diese Faktoren die Stimme beeinflussen können:

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Aussprache von Vokalen und Konsonanten

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Die Aussprache von Vokalen und Konsonanten kann die Stimme auf unterschiedliche Weise beeinflussen, einschliesslich Klarheit, Ton, Tonhöhe und Gesamtklang. Zusätzlich kann die Art und Weise, wie sie ausgesprochen werden, Einblicke in Akzente, allgemeine Sprechmuster und Stimmungen geben.

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In Praat können Nutzer:innen die Aussprache von Vokalen und Konsonanten in einem Spektrogramm sehen, das die akustischen Merkmale der Sprache – die Formanten, die Tonhöhenkontur, die Dauer und die Intensität – darstellt. Ein Spektrogramm ist das, was im unteren Teil des Bildes gezeigt wird, markiert in der roten Box.

Lautstärke

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Die Lautstärke trägt zum Gesamteindruck der Selbstsicherheit, emotionalen Ausdrucksfähigkeit und Betonung von Sprecher:innen bei.

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In Praat kannst du die Intensität eines Audiosignals analysieren. Eine blaue Wellenform ist im oberen Teil des Bildschirms zu sehen, die die Lautstärkeänderungen des Signals im Laufe der Zeit zeigt.

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Formanten

 

Wie bereits erwähnt, sind Formanten entscheidend für die Erforschung regionaler Akzente, Dialekte und individueller Sprechmuster basierend auf der Vokalqualität.

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In Praat können Informationen zur Vokalqualität gefunden werden, indem man Resonanzfrequenzen identifiziert. Im Spektrogramm im obigen Bild repräsentieren die roten Punkte die Formanten. Bei der Analyse der Vokale konzentrieren wir uns auf die ersten drei Formanten: F (1), F (2) und F (3). Sie können den Ort und die Artikulationsweise der Vokale widerspiegeln.

Leider entpuppte sich die Frau, die auf die Polizeiwache gebracht wurde, nicht als unser Mathe-Guru. Denn sie war (was wir insbesondere an der Grundfrequenz abgelesen haben) vom weiblichen Geschlecht. Detektiv X ging jedoch am nächsten Tag zur Universität und hörte mehrere seiner Mathematikprofessoren sprechen, und er war sich fast sicher, dass einer von ihnen zu der Stimme passte, die er in der Schokoladenfabrik gehört und noch zuvor analysiert hatte. Detektiv X ging daraufhin zur Universität und bat die Persomem, denselben Satz nachzusprechen, den wir in der Nacht des Einbruchs gehört hatten.

 

Lade die folgenden drei Aufnahmen der Verdächtigen herunter und gib sie zusammen mit der Aufnahme des Einbrechers aus der Nacht in Praat ein. Versuche, die Aufnahmen anhand der soeben erlernten phonetischen Merkmale zu analysieren und herauszufinden, ob einer von ihnen der Mathe-Guru ist.

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Aktivität 2: Den Mathematikexperten finden

Stimme 1
00:00 / 00:14
Stimme 2
00:00 / 00:12
Stimme 3
00:00 / 00:06

Abschliessende Gedanken zu dieser Lektion:

  • ​Der Vergleich von Sprecher:innen wird verwendet, um die Wahrscheinlichkeit zu bestimmen, dass Stimmen in zwei oder mehr Aufnahmen von ein und derselben Person stammen.

  • Verstehen von Sprache und Klang: Wir haben gelernt, wie Sprache und Geräusche auf technischer Ebene funktionieren und vor allem, wie sie visualisiert werden. Diese Erfahrung kann das Bewusstsein für die Komplexität und Vielfalt der Sprache schärfen und möglicherweise das Interesse an Bereichen wie Linguistik, Phonetik und Akustik wecken.

 

Was sind deiner Meinung nach weitere Herausforderungen, denen sich dieser Teil der forensischen Linguistik stellen muss? Wie können wir deiner Meinung nach zwischen künstlich erzeugten Stimmen und echten menschlichen Stimmen unterscheiden?

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Quellen

 

Eilika Fobbe. (2011). Forensische Linguistik: Eine Einführung. Narr Francke Attempto.

 

Künzel H. J. (1987). Sprechererkennung Grundzüge forensischer Sprachverarbeitung. Heidelberg Kriminalistik-Verlag.

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