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Lektion 3: Stimmparade

Definition: Eine Stimmparade ist eine Gegenüberstellung von Stimmproben, anhand derer "Ohrenzeug:innen" mögliche Täter:innen eines Verbrechens identifiziert.

Schlüsselbegriffe

  • Stimmparade 

  • Stimmenähnlichkeit 

  • Sequentielles Verfahren

Lektion 1: Was ist eine Stimmparade?

Eine Stimmparade kann als "Ohrenzeug:innen"-Beweis in einem Strafverfahren verwendet werden, wenn es keinen Augenzeug:innen gibt – Täter:innen wurde nicht gesehen und können möglicherweise nur durch ihre Stimme identifiziert werden. Diese Methode wird benötigt, wenn eine Stimme an einem Tatort gehört wurde, aber nicht aufgezeichnet werden konnte. Bei solchen Straftaten handelt es sich oftmals um maskierte Täter:innen, einen Angriff von hinten oder um einen Anruf, bei dem das Opfer bedroht oder erpresst wird. Im Zuge der Ermittlungen werden die Zeug:innen gebeten, die Stimme der verdächtigen Person anhand einer Gegenüberstellung zu identifizieren. Bei der Gegenüberstellung wird den Zeug:innen ein Stimmprofil der verdächtigten Person und Stimmprofile von unbeteiligten Personen, die von der Polizei ausgewählt wurden, in Form einer Stimmparade vorgeführt.

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Im Vereinigten Königreich basieren Stimmparaden auf Leitlinien, die 2003 veröffentlicht wurden. Diese Leitlinien wurden in Anlehnung an das polizeiliche Verfahren zur visuellen Identifizierung entwickelt. Obwohl die Stimmerkennung fehleranfällig und deutlich ungenauer als die Gesichtserkennung ist, können die gewonnenen Beweise den Ausgang eines Falles entscheidend beeinflussen.

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Stimmparaden bestehen idealerweise aus neun Stimmproben, acht von unbeteiligten Personen, die von der Polizei ausgewählt wurden, und einer von der verdächtigten Person. Die Stimmproben der von der Polizei ausgewählten Personen werden als Folienproben bezeichnet. Das aufgezeichnete Interview wird zu einer Collage kurzer spontaner Äusserungen von 45–60 Sekunden Dauer zusammengeschnitten und wird den Zeug:innen als eine der neun Stimmproben vorgelegt. Später hören die Zeug:innen alle Folienproben und die Stimmprobe der verdächtigten Person und versuchen dann, die Stimmen dem/der Täter:in zuzuordnen. Da dieses Verfahren sehr zeitaufwändig ist und die Ressourcen begrenzt sind, verwendet die Polizei oft weniger Proben und keine Collage-Aufnahme im Stil eines Interviews. Sie lässt die Teilnehmer:innen der Stimmparade die Worte wiederholen, die die Zeug:innen während der Tat gehört haben. Auf diese Weise vergeht weniger Zeit zwischen dem Verbrechen und der Identifizierung mittels der Stimmparade.

Introdutcion03.jpg

Aktivität 1: Vergleich von Sprachproben

Versuche, die folgenden vier Aufnahmen in Paaren zuzuordnen. Diskutiert darüber, welche beiden von der gleichen Person stammen und woran Ihr das festmacht.

SET 1

Stimme 1.0
00:00 / 00:08
Stimme 2.0
00:00 / 00:06
SET 2
Stimme 1.1
00:00 / 00:07
Stimme 2.1
00:00 / 00:09

Lektion 2: Stimmähnlichkeit

Die Personen, die Folienproben abgeben, sollten eine ähnliche Stimme wie die verdächtigte Person haben, damit die Stimmähnlichkeit gewährleistet ist. Wenn dies nicht der Fall ist, könnten sich Zeug:innen auf ein bestimmtes Merkmal konzentrieren, das ihnen an der Stimme des Täters/der Täterin aufgefallen ist. Wenn der Täter/die Täterin beispielsweise einen irischen Akzent hatte, würde sollte die verdächtigte Person ebenfalls einen irischen Akzent haben. Wenn diese Person nun mit Folienproben britischer Akzente aufgereiht wird, verliert die Stimmparade an Glaubwürdigkeit, weil es sehr einfach ist, das dominante Merkmal, das während der Tat wahrgenommen wurde, von den anderen Stimmen zu unterscheiden. Eine wesentlich effektivere Stimmparade wäre, wenn alle acht präsentierten Folienproben einen irischen Akzent hätten. Auf diese Weise hätte die Polizei eine höhere Gewissheit, dass die verdächtigte Person auch tatslich der Täter/die Täterin ist und nicht einfach eine willkürliche Person mit irischem Akzent. Somit kann die falsche Identifizierung durch ein dominantes Stimmmerkmal ausgeschlossen werden.

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Die Ähnlichkeit der Stimme ist entscheidend und der schwierigste Aspekt bei der Erstellung einer Stimmparade. Dabei geht es einerseits um linguistische Faktoren, die mit Sprache, Dialekt und Akzent zusammenhängen. Andererseits geht es um persönliche Faktoren, die mit der Anatomie und Physiologie einer Person bei der Sprachproduktion zusammenhängen. Zu diesen phonetischen Eigenschaften gehören insbesondere die Tonhöhe, die Sprechgeschwindigkeit, die Resonanzmerkmale und die Stimmqualität. Wobei die Tonhöhe und verschiedene Merkmale der Stimmqualität, die mit dem Kehlkopf (zylindrische Gruppe von Knorpeln, Muskeln und Weichteilen, die die Stimmbänder enthält) und dem Rachen (Muskeln, die Nase und Mund mit dem Kehlkopf und der Speiseröhre verbinden) zusammenhängen, für die Ähnlichkeit der Stimme am wichtigsten sind.

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Die Stimmparade wird für Zeug:innen umso herausfordernder, je ähnlicher die Aufnahmen sind und umso wahrscheinlicher ist es, dass eine falsche Stimmprobe auswählt wird. Während der Ermittlungen würde eine Person, die eine Folienprobe abgibt, nicht wegen der Straftat angeklagt werden, wenn Zeug:innen sie fälschlicherweise als Täter:in identifizierten, aber es würde dazu beitragen, die verdächtigte Person zu entlasten. Folglich könnte die Staatsanwaltschaft die Stimmprobe vor Gericht nicht als Beweismittel verwenden.

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Stimmparaden sind für die Strafverfolgung noch recht neu, und so wird zum Beispiel im Phonetiklabor der Universität Cambridge noch erforscht, wie diese Methode verbessert werden könnte.

In diesem Szenario bleibt eine Angestellte einer Käsefabrik länger bei der Arbeit, weil sie Überstunden machen muss. Plötzlich sieht sie einen Schatten unter der Bürotür und versteckt sich hinter ihrem Schreibtisch. Die Tür öffnet sich und sie hört schnelle Schritte auf der anderen Seite des Raumes, wo die streng vertraulichen Akten im Käsetresor gelagert sind. Ein Telefon klingelt und der:die Täter:in nimmt ab: "Ja, ich bin da, niemand ist da, aber ich habe nicht viel Zeit und ja, ich werde nicht vergessen, morgen einzukaufen." Der:die Täter:in knackt den Tresor und verschwindet mit den vertraulichen Akten. Die Angestellte ruft die Polizei. In Todesangst erinnert sie sich an den Vorfall und an das, was sie gehört hat.

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Detektiv X übernimmt den Fall, aber er weiss, dass er schnell handeln muss, denn in der Nähe des Tatorts wurde bereits ein:e Verdächtige:r festgenommen. Die Zeit drängt, denn das Gedächtnis einer Zeugin kann beeinträchtigt werden, und umso schneller sollte eine Stimmparade vorgelegt werden.

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Ihr werdet nun zunächst eine Aufnahme hören, die darstellen soll, was die Angestellte während des Diebstahls gehört hat – hört diese daher nur einmal an. Später müsst Ihr den:die Täter:in anhand einer Stimmparade von vier Stimmproben identifizieren. Viel Erfolg!

cheese for activity 2.jpg

Aktivität 2: Der Fall des gestohlenen Käses

Person 1
00:00 / 00:12
Original
00:00 / 00:12
Person 2
00:00 / 00:11
Person 3
00:00 / 00:09
Person 4
00:00 / 00:11

Abschliessender Gedanke für diese Einheit

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  • Bei einer Stimmparade kann ein:e Ohrenzeuge:in helfen, eine:n Verbrecher:in zu identifizieren. Dabei ist ein genaues Vorgehen notwendig, um die Fehlerquote zu verringern.

  • Stimmähnlichkeit ist ein Schlüsselkonzept, das bei einer Stimmparade zu berücksichtigen ist.

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Glaubst du, dass du ein guter Ohrenzeuge/eine gute Ohrenzeugin wärst und eine:n Verbrecher:in in einer Stimmparade identifizieren könntest?

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Quellen

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