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Lektion 4: Typologie

In dieser Lektion geht es darum, wie wir Sätze in verschiedenen Sprachen bilden. Du lernst, verschiedene Formen der Syntax zu analysieren und erhältst eine Einführung in die Morphosyntax.

Schlüsselkonzepte

  • Lexikalische Merkmale

  • Syntax

  • Aktives Hervorrufen

  • Grammatik

  • Morphosyntax

EINHEIT 1: MORPHOSYNTAX

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In der vorherigen Lektion haben wir erfahren, was für ein wichtiger Schritt die Transkription für Sprachwissenschaftler:innen ist, um Sprachen zu dokumentieren: Die Transkription ist die Methode der Linguist:innen, um gesprochene Sprache auf Papier festzuhalten. Aber sie transkribieren nicht nur Interviews und Alltagsgespräche, sondern erstellen auch lange Vokabellisten und versuchen dadurch, so viele Wörter der Sprache wie möglich zu dokumentieren. Diese Sammlung von Wörtern wird als die Dokumentation der lexikalischen Merkmale einer Sprache bezeichnet.
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Um diese Wörter zu sammeln, arbeiten Linguist:innen oft mit zweisprachigen Sprecher:innen zusammen. Dabei verwenden sie die Methode des aktiven Abrufens. So werden die Proband:innen von den Linguist:innen aufgefordert, Wörter bestimmter Kategorien aufzuzählen, beispielsweise Lebensmittel, Familienmitglieder oder Tiere. Diese Methode wird auch als aktives Hervorrufen bezeichnet und ist flexibler, da die Proband:innen dann Wörter aufzählen, die für die bestimmte Sprache spezifisch sind. Wenn sie einfach Wortlisten übersetzen sollen, kann es sein, dass spezifische Wörter oder Kategorien nicht zur Sprache kommen. 
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Das Sammeln von Wörtern ist jedoch nur der Anfang. Linguist:innen erforschen die sprachliche Welt auch anhand der Grammatik und nutzen dazu ihre Transkriptionen. Schauen wir uns im Folgenden beispielhaft eine grammatische Kategorie an: Syntax.
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Möglicherweise hast du dich bereits im Sprachunterricht deiner L1 mit der Syntax befasst. Die Syntax beschreibt die Reihenfolge von Wörtern in Sätzen und die Regeln, auf denen die Form von Sätzen beruht. Die Syntax kann von Sprache zu Sprache stark variieren. Im Englischen oder Deutschen lautet die Reihenfolge (meist) Subjekt-Verb-Objekt (Syntaktisches Schema: SVO) wie im Satz: „Er hört mich.“ In einem Fragesatz würden die Blöcke gleich bleiben, wie zum Beispiel: „Wer hört mich?“. Hier sind zur Repetition noch einmal die Satzglieder angegeben:

SUBJEKT: Das Subjekt beschreibt die handelnde Instanz des Satzes. Es steht immer im Nominativ: Sie geht in die Schule. 

VERB/PRÄDIKAT: Das Prädikat beschreibt die Tätigkeit, die das Subjekt im Satz ausführt: Er isst den Apfel.

 

GENITIV-/AKKUSATIV- UND DATIVOBJEKT: Diese beschreiben Objekte, die im Genitiv, Akkusativ oder Dativ erscheinen. Du kannst folgende Fragen stellen, um das Objekt zu erfragen: Wessen? Wem? Wen oder Was?

In Ikota, einer Bantu-Sprache, ist die Reihenfolge jedoch völlig anders. Die Reihenfolge bei Fragesätzen ist: Verb-Objekt-Subjekt. Im obigen Fall würde die Satzreihenfolge also lauten: 'Hört mich wer?' Dieses Beispiel zeigt auf, dass verschiedene Sprachen unterschiedliche syntaktische Systeme haben, was das Erlernen einer Sprache sowohl faszinierend als auch herausfordernd machen kann. Schauen wir uns in der Übung einmal die Syntax verschiedener Sprachen an!

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Übung 1: Verschiedene syntaktische Strukturen

In dieser Aufgabe lernst du die Syntax verschiedener Sprachen kennen. Pro Aufgabe siehst du jeweils einen Satz in der jeweiligen Sprache und die sogenannte Glossierung (Übersetzung und Erläuterung). Übersetze den Satz jeweils ins Deutsche und gib das syntaktische Schema der Sprache an.
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Wenn du dir deine Lösungen anschaust, wirst du merken, dass fast alle syntaktischen Stellungsvarianten existieren. Am häufigsten, in rund 90 Prozent der Sprachen sind die Satzstellungen SOV und SVO. Nur sehr selten, in 1% aller Sprachen ist das Objekt an erster Stelle. Überlege dir: Hängt eine andere Satzstellung vielleicht mit einer anderen Denkweise oder Wertvorstellungen zusammen? Beispielsweise könnte es sein, dass in Sprachen, in denen das Objekt zuerst genannt wird, ein stärkerer Fokus auf dem Objekt statt auf dem Subjekt liegt.

EINHEIT 2: DAS ERLERNEN VON SPRACHE UND DIE MORPHOSYNTAX VERSTEHEN

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Wie beginnen wir mit dem Erlernen einer Sprache, zum Beispiel Deutsch? Stell dir das wie den Bau eines Hauses vor. So wie ein Haus ein starkes Fundament braucht, hat eine Sprache ihre eigenen Regeln und Grammatik, um Sätze zu bilden. Die Grammatik und ihre syntaktischen Strukturen helfen uns dabei, bestimmte Wörter in Sätzen zu verwenden. So wie ein Haus ein solides Fundament benötigt, braucht auch die Sprache diese Regeln, um richtig zu funktionieren. Und weil jede Gemeinschaft spezifischen Regeln folgt, teilt jede eine gemeinsame Sprache, das heisst eine gemeinsame Art der Kommunikation. Im vorherigen theoretischen Beitrag haben wir über die Struktur von Sätzen gesprochen und nun werden wir uns genauer ansehen, wie die Kombination und Bildung von Wörtern funktioniert, um innerhalb von Sätzen eine Bedeutung zu erzeugen.

Sowohl Morphologie als auch Syntax sind für das Erlernen einer Sprache und damit auch für deren Analyse unerlässlich. Wenn man beides kombiniert, erhalten wir die sogenannte Morphosyntax. Darum geht es bei grammatischen Konstruktionen. Du hast bestimmt schon von Subjekten, Objekten, Pronomen und anderen Einheiten wie Adjektiven gehört. Heute werden wir Morpheme erforschen!

Morpheme sind wie Bausteine von Wörtern. Sie helfen uns, das Geschlecht oder die Anzahl eines Wortes zu erkennen. Dank Morphemen können wir auch die Zeitform von Verben unterscheiden. Diminutive beispielsweise sind ebenfalls eine Art Morpheme. Sie tragen nicht nur Bedeutung in sich, sondern zeigen auch Zuneigung, Demut, Intimität oder Formalität, was zeigt, wie sich Menschen einer bestimmten Gemeinschaft verhalten und wie sie in verschiedenen Situationen sprechen. Dies ist z.B. im Spanischen der Fall, wo Suffixe wie -ito/-ita oder -illo/-illa häufig verwendet werden. Dies wirkt verniedlichend und gibt der Sprache einen gewissen Singsang. Derartige Morpheme haben einen erheblichen Einfluss auf die Tiefe und Anpassungsfähigkeit der Sprache, da sie es uns ermöglichen, die Bedeutung zu verfeinern und Emotionen zu vermitteln. Sprachverhalten ist aus sprachlicher Sicht sehr wichtig, da es soziale Beziehungen aufbaut und Informationen über die Sprechenden und ihre Gesellschaft vermittelt.

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TEIL 1:

Welche Präfixe oder Suffixe verwendest du in deiner Alltagssprache? Erstelle eine Liste und vergleiche sie mit deiner:m Nachbar:in.

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TEIL 2:

​Analysiere die folgenden Sätze, indem du die Präfixe und Suffixe unterstreichst. Überlege dir dann, welche eine positive, negative oder auch neutrale Konnotation haben.

 

  1. Er ist der schnellste von allen.

  2. Sie ist unzufrieden mit den Resultaten.

  3. Der Hund wirkt etwas dämlich

  4. Dieses Haus ist fabelhaft!

Auf der Treppe sitzen

Übung 2: Erforschung grammatischer Kategorien und Affix-Konnotationen

Abschliessende Gedanken

Nachdem du nun einiges über die Grammatik und den Satzbau verschiedener Sprachen gelernt hast: Würdest du anders mit einer Person umgehen, die deine Sprache lernt?

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Quellen

Croft, W. (2022). Morphosyntax: Constructions of the World's Languages. Cambridge, UK: Cambridge University Press. https://doi.org/10.1017/9781316145289.

 

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Walsh, D.D. (1944). Spanish Diminutives. Hispania, 27, 11-20. https://doi.org/10.2307/333247 

 

Wikipedia.org. Verb–object–subject word order. Retrived from https://en.wikipedia.org/wiki/Verb%E2%80%93object%E2%80%93subject_word_order.

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