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Lektion 2: Tempus, Aspekt und Modus

Dieses Kapitel bespricht die Verbkategorien Tempus, Aspekt und Modus. In der Linguistik werden diese drei Kategorien oft als TAM zusammengefasst.

Schlüssel-Konzepte

  • Tempus

    • Absolutes vs relatives Tempus

  • Aspekt

  • Sprechzeit, Ereigniszeit, Referenzzeit

  • Modus

LERNEINHEIT 1: TEMPUS

Die Verbkategorie Tempus wird gebraucht, um ein Ereignis in der Zeit zu lokalisieren. In den Sprachen der Welt werden drei Haupttempora am häufigsten gebraucht: die Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft. Die Form Präsens (Gegenwart) wird gebraucht, um eine Situation oder Handlung zu beschreiben, die zur Zeit des Sprechaktes passiert. Das Präteritum, die Vergangenheitsform, wird gebraucht, um über Situationen oder Handlungen zu sprechen, die vor dem Sprechakt geschehen sind. Bei starken Verben im Deutschen kommt es dabei meistens zu einem Vokalwechsel (z.B. sing, sang). Das Futur wird verwendet, um eine Situation oder Handlung zu beschreiben, die noch nicht passiert ist. Im Deutschen wird Futur nicht am Verb selber markiert, es werden Hilfsverben gebraucht.

Neben den Haupttempora gibt es im deutschen zudem die Tempusformen Perfekt, Plusquamperfekt und Futur II. Perfekt wird verwendet, um auf eine in der Gegenwart abgeschlossene Handlung einzugehen und wird deshalb auch die Vorgegenwart genannt. Es wird mit den Hilfsverben sein und haben und dem Partizip II des Vollverbs gebildet. Das Plusquamperfekt, die Vorvergangenheit, beschreibt eine Situation, die in der Vergangenheit schon abgeschlossen ist. Es wird gleich gebildet, wie das Perfekt, mit dem Unterschied, dass die Hilfsverben im Präteritum und nicht im Präsens stehen. Das Futur II ist eine vollendete Zukunftsform. Es beschreibt eine Situation oder Handlung, die in der Zukunft bereits abgeschlossen sein wird. Auch das Futur II wird durch eine zusammengesetzte Verbform gebildet. Dafür werden ebenfalls die Hilfsverben haben und sein benutzt.

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Beispiele:

Präsens: Ich gehe zum Supermarkt.

Perfekt: Ich bin zum Supermarkt gegangen.

Präteritum: Ich ging zum Supermarkt.

Plusquamperfekt: Ich war zum Supermarkt gegangen.

Futur I: Ich werde zum Supermarkt gehen.

Futur II: Ich werde zum Supermarkt gegangen sein.

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Übung 1:

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a. Wie kannst du die drei Hautpzeitformen angemessen in einem Zeitstrahl-Modell  darstellen? Zeichne das Modell. 

 

b. Nenne den Unterschied zwischen den beiden Sätzen hinsichtlich Tempus.

 

1. Vorhin war ich in der Stadt.

2. Als Hans kam, war Peter schon abgereist.

Hast du die Übung abgeschlossen? Übung 1a: Zur adäquaten sprachlichen Beschreibung der Zeit kann man sich diese als eine Linie vorstellen. Der Moment der Gegenwart befindet sich in der Mitte und wird mit 0 markiert. Vergangenheit und Zukunft befinden sich hinter und vor der Gegenwartsmarkierung. Diese Darstellung wird auch als Zeitstrahl bezeichnet. Natürlich sind hier auch andere Modelle möglich. Übung 1b: Der Unterschied zwischen den zwei Sätzen ist, was wir absolute Zeitform und relative Zeitform nennen. In Satz 1 geht es um eine Situation, in der sich der Referenzpunkt in der Gegenwart befindet. Dies wird als absolute Zeitform bezeichnet. Das gewählte Tempus, zum Beispiel Präsens, Präteritum oder Futur, steht hier in Relation zum Moment des Sprechens und ordnet das Ereignis in einem zeitlichen Rahmen ein. Satz 2 gibt ein Zeitverhältnis an und beschreibt, wie ein Ereignis im zeitlichen Bezug zu einem anderen Ereignis steht. Somit kann ausgedrückt werden, ob ein Ereignis gleichzeitig, vorzeitig oder nachzeitig geschieht.

 LERNEINHEIT 2: ASPEKT, ZEITMODELL UND MODUS

Ãœbung 2

Zu zweit: Eine Person erzählt der anderen grob, was auf dem Bild passiert und die andere Person versucht dann, anhand der Erklärungen das Bild zu zeichnen. Welche Verbform wird für die Beschreibung verwendet?

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Sprechzeit, Ereigniszeit, Referenzzeit

Eine Aussage kann ausserdem durch verschiedene Zeitpunkte betrachtet werden. Es werden drei verschiedene Arten von Betrachtungsweisen festgelegt: die Sprechzeit (S), die Ereigniszeit (E) und die Referenzzeit (R). Die Sprechzeit (S) beschreibt die Zeit, in der ein Satz geäussert wird. Es kann von da aus in die Vergangenheit oder Zukunft geschaut werden. Die Ereigniszeit (E) definiert den Zeitraum, in dem die beschriebene Handlung stattgefunden hat. Dieser Zeitpunkt steht relativ zur Sprechzeit. Bei der Referenzzeit handelt es sich um die Zeit oder den Zeitabschnitt, auf den eine Aussage bezogen ist. Durch diese können sowohl die Gruppe der Vergangenheitstempora, als auch die Gruppe der Futurtempora untereinander unterschieden werden (z.B.: Unterschied zwischen Präteritum, Perfekt, Plusquamperfekt). Tempora, die der gleichen Zeit angehören (z.B.: Vergangenheit) haben immer das gleiche Verhältnis von Sprech- und Ereigniszeit.

Diese Zeitpunkte können jeweils miteinander übereinstimmen, sie können aber auch voneinander abweichen. Im Satz Ich schreibe einen Bericht stimmen die verschiedenen Tempusdefinitionen überein. Dies lässt sich folgendermassen darstellen: S; E; R. Stimmen die Tempusdefinitionen zeitlich nicht überein, werden sie der Reihe nach geordnet und mit ‘<’ markiert. Es kann auch sein, dass zwei der drei Definitionen zeitlich übereinstimmen oder keiner der Zeitpunkte mit einem anderen übereinstimmt. Zum Beispiel: Laura ging ins Museum. --> E; R < S. Hier stehen die Erreignis- und Referenzzeit vor der Sprechzeit.

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Aspekt

Aspekt ist eine grammatische Kategorie, die ausdrückt, wie eine Handlung betrachtet wird. Man kann sich das wie einen Blick auf eine Handlung vorstellen. So kann man die Handlung als ganzes Bild sehen oder sich auf bestimmte Momente konzentrieren. Die zeitliche Verortung der Handlung bezieht sich auf ihre Dauer, Vollendung und Relevanz. Beispiele für die grammatische Kategorie Aspekt sind die Aussage über die Abgeschlossenheit einer Handlung und die Relevanz einer Situation zum Zeitpunkt der Aussage. Deutsch ist keine Aspektsprache und es wird viel darüber diskutiert, ob Aspekt in der deutschen Standardsprache überhaupt verwendet wird. Es gibt jedoch eine Art des Aspekts, die lange als eher umgangssprachlich galt und deshalb nicht dem Standarddeutschen zugeordnet wurde. Die Rede ist vom am-Progressiv. Eine Studie fand heraus, dass dieser im Schweizerdeutschen im Vergleich zum Standarddeutschen zum Beispiel in der Presse häufiger verwendet wurde. Beim am-Progressiv handelt es sich um eine Form des grammatischen Aspekts, die beschreibt, dass eine Handlung oder Situation gerade im Gange ist. Während diese Form des Satzes betont, dass die Handlung im Moment des Sprechaktes andauernd ist, ist der Aussagesatz eine faktische Beschreibung. Wenn man zum Beispiel sagt Ich lese ein Buch ist das wie ein Foto. Wenn man aber sagt Ich lese gerade ein Buch ist das wie ein Video von dem, was man gerade tut. Der am-Progressiv wird durch die Präposition am und dem Infinitiv des Verbes gebildet. Zum Beispiel: Der Junge ist am schlafen

Übung 3:

Setze die verschiedenen Zeitdefinitionen (Sprechzeit, Ereigniszeit und Referenzzeit) der Sätze in Bezug zueinander.

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1. Ihr werdet morgen einen Test schreiben.

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2. Noah wird das Zimmer schon geputzt haben.

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3. Er meint: «Du hattest den Apfel schon gegessen».

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4. Laura ruft: «Ich habe die Türe geschlossen».

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5. Sie sagt: «Katharina wird erst später kommen.»

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Modus

Der Vollständigkeit halber wird nun noch die grammatische Kategorie des Modus behandelt. In der deutschen Sprache beschreibt die Kategorie Modus die Aussageweise eines Satzes. Durch den Modus sollen die Bedingungen ausgedrückt werden, unter denen die Aussage stattfindet. In der deutschen Sprache gibt es drei Modi:

 

  • Indikativ: Du gehst zur Schule.

  • Konjunktiv: Du würdest zur Schule gehen, wenn....

  • Imperativ: Geh zur Schule!

 

Sätze, die den Modus des Indikativ nutzen, beziehen sich auf die reale Welt, während Konjunktiv und Imperativ sich jeweils auf eine mögliche, aber nicht reale Gegebenheit beziehen. Der Indikativ bildet die Grundform eines Satzes. Der Konjunktiv gibt eine hypothetische Situation wieder, deren Eintreffen von bestimmten Bedingungen abhängig sind, die durch einen wenn-Satz ausgedrückt werden. Ein Satz, der im Imperativ steht, stellt sich als wahr heraus, wenn die Hörer:in der Aufforderung nachkommt. Dieser Modus wird auch als die Befehlsform bezeichnet.

Oft sind diese Modi auch an bestimmte Satztypen gebunden. Der Indikativ wird meistens für Aussagesätze, der Imperativ für Aufforderungs- oder Befehlssätze und der Konjunktiv für Wunschsätze verwendet.

Hast du die Übungen abgeschlossen? Übung 2: Wahrscheinlich habt Ihr entweder den progressiven Aspekt (z.B.: Der Mann ist am Haare waschen) oder einfache Aussagesätze (z.B.: Der Mann wäscht sich die Haare) verwendet. Der progressive Aspekt wird verwendet, um zu zeigen, dass eine Handlung noch nicht abgeschlossen ist. Die Verwendung der verschiedenen Aspekte kann die Sichtweise auf eine Handlung verändern. Während die Verwendung des progressiven Aspekts die Betonung darauf legt, dass eine Handlung im Gange ist, zeigt der einfache Aussagesatz eine Handlung oder Situation als Tatsache an. Diese grammatische Kategorie Aspekt wird in Lerneinheit 2 genauer erläutert. Übung 3: 1.S < E; R 2.S < E < R 3.E < R < S 4.E < R; S 5.S < E;R 5. S

Endreflexion für diese Lektion

 

Du hast gelernt, dass bei der zeitlichen Beschreibung einer Handlung oder Situation zwischen Tempus und Aspekt unterschieden wird. Die grammatische Kategorie Tempus beschreibt, wann eine Handlung in der Zeit verortet werden kann und die Kategorie des Aspekts beschreibt, wie wir diese betrachten und wie sie sich über die Zeit erstreckt. Die Kategorie des Modus macht eine Aussage über die Aussageweise eines Satzes.

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Quellenverzeichnis:

Comrie, B. (1976). Aspect: An introduction to the study of verbal aspect and related problems. Cambridge, New York: Cambridge University Press.

Comrie, B. (1985). Tense. Cambridge: Cambridge University Press.

Flick, J. (2016). Der am-Progressiv und parallele am V-en sein-Konstruktionen: Kompositionalität, Variabilität und Netzwerkbildung. Beiträge zur Geschichte der deutschen Literatur, Bd 138 (2), 163-96.

Heinold, S. (2015). Tempus, Modus und Aspekt im Deutschen: Ein Studienbuch. Tübingen: Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG.

Mayer, M. (1969). Frog, where are you? New York: Dial Books for Young Readers.

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