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Lektion 3: Zweisprachige Entwicklung in der frühen Kindheit

Zweisprachige Entwicklung in der frühen Kindheit bezieht sich auf den Prozess, durch den ein Kind zwei Sprachen erwirbt und erlernt, in der Regel durch Kontakt und Interaktion während der ersten Lebensjahre, was zu kognitiven und sprachlichen Vorteilen führt.

Schlüsselkonzepte

  • MFLA (Monolingual First Language Acquisition)

  • ESLA (Early Second Language Acquisition)

  • BFLA (Bilingual First Language Acquisition)

  • Zweisprachige Sprachentwicklung

Einheit 1: Von der Geburt bis zum Wortverständnis: der soziale Kontext

Von einigen Ausnahmen abgesehen, erweist sich die Familie in den ersten Lebensjahren als der wichtigste soziale Kontext im Leben eines Kindes. Der Zeitpunkt der Entwicklung ist von Kind zu Kind unterschiedlich, aber sie durchlaufen wichtige Übergänge, die nicht vom ein-, zwei- oder mehrsprachigen Kontakt in der frühen Kindheit abhängen.

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1.1. Gemeinsamkeiten zwischen MFLA und BFLA

Im ersten Lebensjahr beginnen Säuglinge, die Sprache, mit der sie in Berührung kommen, zu verstehen, und um den sechsten Monat herum beginnen sie mit dem "Lallen", das ihren ersten Wörtern zugrunde liegt, das aber nicht als frühe Ausdrucksabsicht angesehen wird. Im Laufe des ersten Jahres beginnt die Äusserung einiger isolierter Wörter ohne jegliche Syntax oder Logik. Erst gegen Ende des zweiten Jahres beginnt die Produktion von Sequenzen, die sich auf zwei bis drei Wörter mit einem logischen Prinzip beschränken. Im Laufe der Monate beginnen die Sätze strukturiert und syntaktisch länger zu werden. Diese Schlüsselschritte sind bei jedem Menschen gleich. Das Verstehen kommt immer vor dem Ausdruck und das "Lallen" immer vor den ersten Worten.

 

1.2 Unterschiede zwischen MFLA und BFLA

Da BFLA-Kinder in ein sehr breites Spektrum fallen, das von Kindern, die nur eine Sprache sprechen, aber auch eine zweite verstehen, bis hin zu Kindern reicht, die zwei Sprachen gut sprechen, ist es schwierig, einheitliche Unterschiede zwischen diesen beiden Gruppen festzustellen. Es gibt keine Studien, die solche Unterschiede belegen, dass BFLA-Kinder im Vergleich zu MFLA-Kindern benachteiligt sind; es wurden jedoch einige Unterschiede in der Sprachentwicklung festgestellt, von denen der wichtigste das Vokabellernen betrifft. Während ein MFLA-Kind eine Sprache auf lineare Weise lernt, d. h. mehrere Kontakte in derselben Sprache hat, lernt das BFLA-Kind die Sprache abschnittsweise. Angenommen, Thema X wird nur von der Mutter auf Italienisch und Thema Y nur vom Vater auf Deutsch behandelt, während Thema Z von beiden Elternteilen in beiden Sprachen behandelt wird, so führt dies zur Aufnahme des Themas Z in zwei Sprachen und der Themen X und Y in je einer Sprache. In der Folge wird sich das Kind, sofern es nicht einer Übersetzungsaufgabe oder einer Änderung der Umstände ausgesetzt ist, in der Interaktionssprache gut ausdrücken können. Daraus ergeben sich viele sprachliche Unsicherheiten, weshalb ein BFLA selten eine gleichwertige Kompetenz in zwei Sprachen entwickelt.

Übung 1​

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Besprecht die folgenden Fragen in der Klasse oder grossen Gruppen: 

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Welche Sprachen hast du dir in deiner Kindheit angeeignet?

Verstehst und sprichst du mehrere Sprachen? Wie fühlst du dich, wenn du dich eher in der einen als in der anderen Sprache ausdrücken musst?

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Hängt der Gebrauch von den Umständen ab?

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Wann benutzt du die eine und wann die andere Sprache?

Einheit  2: Wörter, Kombinationen und Phrasen

Die ersten Wörter haben immer einen breiteren kontextuellen Wert. So kann "Wasser" oder "heiss" auf das Bedürfnis zu trinken hinweisen. "Mama", um auf ein oder mehrere Bedürfnisse aufmerksam zu machen. Wortkombinationen beginnen im Laufe der Monate, nachdem ein ausreichender Wortschatz erworben wurde. Am Anfang fehlen Pronomen, Präpositionen, Artikel und Konnektoren, die sich erst später entwickeln. Dies gilt sowohl für BFLA- als auch für MFLA-Kinder, mit dem Unterschied, dass ein Kind im ersten Fall unter Umständen auf eine Interaktion in der weniger erlernten Sprache bevorzugt mit der Sprache antwortet, die in seinem Alltag präsenter ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Präsenz einer Sprache gering ist oder häufig durch die Übersetzung der Antwort in die als wichtiger erachtete Sprache korrigiert wird. Eine der Sprachen entwickelt sich tendenziell stärker als die andere, aber die Tendenz geht zu einer binären Antwort: Thema und Antwort in einer Sprache. Die Hauptursache für die Aufgabe der zweiten Sprache ist der Verlust der binären Antwort, d. h., wenn die Interaktion in einer Sprache erfolgt, die Antwort aber in einer anderen. Dies geschieht, wenn die Entwicklung des Wortschatzes in einer der beiden Sprachen unzureichend ist und das Kind sich nicht so ausdrücken kann, wie es möchte, sondern die Sprache bevorzugt, in der es sich am sichersten fühlt, um sich auszudrücken.

Übung 2

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Teilt die Klasse in Einsprachige und Zweisprachige auf:

 

Glaubst du, dass du die deutsche Sprache (oder eine andere Erstsprache) gleich gut oder besser beherrschst als die andere Gruppe?

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Hältst du die Zweisprachigkeit für einen Vorteil oder einen Nachteil in der Alltagskommunikation?

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Fühlst du dich sicher in deinen Kommunikationsfähigkeiten?

Tafel mit verschiedenen Sprachen.webp

Abschliessende Gedanken für diese Lektion

Ein letzter Gedanke gilt der folgenden Frage: Kann zweisprachiges Aufwachsen für das Kind schädlich sein?

Viele Lehrer:innen und sogar Fachleute scheinen davon überzeugt zu sein, aber es gibt keine Untersuchungen, die diese These stützen. Die Forschung scheint darauf zu antworten, indem sie hervorhebt, dass der zweisprachige Erwerb nicht mittels Vergleich zum einsprachigen Erwerb analysiert werden sollte, sondern als ein Szenario für sich.

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Quellen

Annick De Houwer (2009). Bilingual first language acquisition. Toronto: MM Textbooks.

 

Annick De Houwer (2009). An Introduction to bilingual development. Toronto: MM Textbooks.

 

Colin Baker (2014). A parents’ and teachers’ guide to bilingualism. Toronto: MM Textbooks.

 

William O’Grady (2005). How Children Learn Language. London: Cambridge University Press.

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